Page 27 - KANADA Magazin 2024
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15 Meter langes Kanu schnitzt. Sie- Inseln. Lore kennt fast jeden Baum Im Haida House liegt am Abend der
ben Helfer unterstützen ihn dabei. auf Haida Gwaii und führt Besucher Zweig einer Zeder neben dem Bett.
Wenn das hochseetaugliche Kanu in einen Hain aus uralten Rotzedern. Das Harz ist noch ganz frisch, die
fertig ist, wollen zwölf Paddler der Bis zu 1.500 Jahre alt und 70 Meter Nadeln sind jung und weich, der
Haida damit an der zerklüfteten hoch sind die Bäume dort. Wieder Geruch ist wohltuend und beruhi-
Pazifikküste entlang bis in die USA dieser Duft. Diesmal gemischt mit gend. Ts’uu heißt die Zeder in der
reisen. Wie einst ihre Vorfahren, die dem Geruch von feuchter Erde. Sprache der Haida. Ein schöner
weite Strecken auf dem Meer zurück- Auf einem Waldpfad geht es zum Baum. Ein Baum, der Hoffnung
legten für Handel, Fischfang oder Stumpf einer gefällten Zeder. Ein paar macht. |
Beutezüge. „Mit der Tour wollen wir Schritte weiter liegt der bearbeitete
unsere Kultur ehren und Traditionen Stamm auf dem Waldboden – über- INFORMATIONEN
wiederbeleben“, erklärt White stolz. wuchert von Moosen und Schling-
pflanzen. Es ist der Rumpf eines alten Indigenous Tourism Association
Beim Potlatch feiert man Geburten, Kanus. Vor rund 160 Jahren haben of Canada, destinationindigenous.ca
Todesfälle, einen neuen Chief, einen die Haida laut Forschern an dem Indigenous Tourism BC,
fertiggestellten Totem, ein Kanu. Kanu gearbeitet. Dann kamen die indigenousbc.com
Pocken und das Werk blieb unvoll- Haida Gwaii Tourism,
Davor wird es im Dorf ein großes Fest endet. Heute lebt ihre Kultur wieder gohaidagwaii.ca
geben. Vielleicht sogar einen Pot- auf. Sie bauen neue Kanus, schnitzen Haida House,
latch, eine rituelle Feier, die für den Totempfähle, feiern Potlatchs. haidatourism.ca/haida-house
Zusammenhalt der Haida eine große
Rolle spielt. Beim Potlatch werden
große Stammesereignisse begangen:
Geburten, Todesfälle, ein neuer Chief,
ein neuer Totem, ein Kanu. Der soziale
Rang des Ausrichters misst sich daran,
wie viele Geschenke er an die Dorfbe- Foto: Destination BC, Brandon Hartwig
wohner verteilt.
Das Langhaus von White ist
gespickt mit Gegenständen und
Geschenken, die bei einem Pot-
latch zum Einsatz kommen: Masken
und Schmuckkisten aus Zedern-
holz, bemalte Trommeln, festliche
Umhänge, Metallschilder aus Kupfer.
Bis 1951 war der Potlatch in Kanada
verboten. Die Regierung wollte damit
die Sozialstruktur der Haida zerstö-
ren und sie zwangsassimilieren.
Der Duft der Rotzedern
Fast zum Verhängnis wurden den
Haida auch eingeschleppte Krank-
heiten. Als europäische Siedler Mitte
des 19. Jahrhunderts die Pocken auf
die Inseln brachten, überlebten von
vielen Tausend Haida nur ein paar
Hundert. „Sie standen am Rande des
Untergangs“, berichtet Dale Lore,
ein ehemaliger Forstarbeiter, der
heute als Guide für das Haida House
arbeitet.
Lore ist ein Yaahtz, so nennen die
Haida die weißen Bewohner. Eisen-
menschen heißt das übersetzt, denn
diese brachten das Metall auf die Dem Kreislauf der Natur überlassen: Totempfähle auf der Insel SGang Gwaay.
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