Page 28 - KANADA Magazin 2023
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BRITISH COLUMBIA einen vor dem stärksten Regen- Library und im Pointe Restaurant – mir ins Gesicht peitschte, machte mir
Foto: Destination Canada/Brian Caissie Foto: Tourism Vancouver Island/Ben Giesbrecht schauer schützen, war eine willkom- Letzteres mit einem 270-Grad-Rund- wenig aus.
mene Herausforderung.
Angetrieben vom erhöhten Adre-
umpanorama auf das Treiben unter-
nalinpegel fühlte ich mich lebendig,
halb des Restaurants – haben die Leute
Meine Outdoor-Ausbildung nahm
ihren weiteren Lauf, doch es gab
im Wickaninnish Inn dafür gesorgt,
frei. Obwohl ich nur ein winziger Teil
des großen Ganzen war, fühlte ich
immer wieder Momente, in denen
dass man dieser Beschäftigung mühe-
mich vollkommen als Teil der Natur
los nachgehen kann.
ich all diesen Regen infrage stellte
(und auch meine gepunkteten Gum-
mistiefel – ein Spontankauf). Meine
auf habe ich gelernt, den Regen zu lie-
er Zeitraum zwischen Novem-
Vorbehalte schmolzen jedoch dahin, D ber und Februar ist in BC als
ben. Die immergrüne Vegetation,
sogar an den härtesten Wintertagen.
als mir bewusst wurde, dass die Stormwatching-Saison bekannt. An und ihrer Kräfte. In den Jahren dar-
Bewohner der Westküste von der dieser den Naturgewalten ausgesetz- Die stillen Momente, in denen die
Idee der Gemütlichkeit besessen sind ten Küste, an der zwischen der West- Sonne, durch einen leichten Regen-
und die grundlegenden Prinzipien küste British Columbias und Japan schauer erleuchtet, aus den Wolken
von „Hygge“ verinnerlicht hatten, weit und breit keine Landmasse in hervorbricht. Das Toben eines
lange bevor den Nordamerikanern Sicht ist, ist das Sturmbeobachten Sturms, das mein Herz immer noch
dieses dänische Wort überhaupt ein unter Garantie ein Schauspiel. Ich Sprünge machen lässt.
Begriff war. öffnete das Fenster nur einen Hauch Das Wetter zwingt mich nicht
Die Suche nach einem geeigneten und schon schwappte das Donnern mehr nach drinnen zu gehen, es sei
Raues Meer, wilde Wellen: Die Westküste ist beliebt bei Unterschlupf ist in BC ein ernstzu- des Ozeans ins Zimmer. denn, ich will es. Stattdessen stelle
Surfern (links). Danach geht’s ins Warme zur Bierverkos-
ich mich den Elementen und staune
Bald fühlte ich mich mutig genug,
nehmendes und leidenschaftlich
E s war ein Dezembertag in Van- War das der Regen, von dem ich Leben gerufen von einem naturbe- Ritualen nach einer Unternehmung stiefel überzuziehen, die den Gästen und Erneuerung. Und ihrer Verhei-
tung (oben).
um die Regenkleidung und Gummi-
über ihr Versprechen von Wachstum
betriebenes Unterfangen. Zu den
zur Verfügung gestellt werden. Das
an der frischen Luft zählen das
ßung von Neuanfängen – wie an
diesem längst vergangenen Dezem-
gehört hatte? Jene Tage, die von
Umklammern einer dampfenden,
Ufer war mit Baumstämmen übersät,
couver: Ich saß in einem Taxi auf
geisterten Menschenschlag, der es
bertag. |
unnachgiebigem Nieselregen unter
der Ozean wogte und der Regen, der
dem Weg vom Flughafen ins
wärmenden Tasse oder das (buch-
versteht, die Vorzüge des Regens mit
Zentrum. Der Ausblick durch
sind? Nein, das hier war anders. Die
Ich selbst kam aus einem Ort, an
das Fenster bestand aus einer ver-
olgende Punkte rundeten
dem mich Schneehaufen und stür-
Üppigkeit der Vegetation beruhigte
schwommenen Mischung aus einem grauen Himmelsdach bestimmt offenen Armen zu begrüßen. stäbliche) Brotbrechen mit Freunden.
Wind und Regen – mit einem Hauch mich und die frische Luft füllte meine zende Temperaturen häufig nach F außerdem meine Liste von Lieb-
von Nebel, der zum Teil meinen Trä- Lungen. Dieser saubere Duft passte zu drinnen trieben. Umso mehr war ich lingsbeschäftigungen an Regentagen
nen zu verdanken war. Ich kauerte einem frischen Neuanfang. darauf erpicht, den Spaß hier mitzu- ab: in einem Café in Deckung gehen, Foto: Destination Canada/Brian Caissie
mich vor Verlegenheit zusammen, Mein neues Leben entfaltete sich machen. So tauschte ich meine einen gemeinsamen Tee bei einem
damit es vom Fahrer unbemerkt blieb. auf dem Höhepunkt des Winters an Mütze gegen einen Regenschirm und Dim-Sum-Essen genießen oder einen
Doch während ich nach einem der Westküste, und meine Akklimati- meine Winterstiefel gegen Gummi- Cocktail schlürfen, während man die
Taschentuch kramte, wurde ich von sierung dauerte nicht lange. Ich stiefel ein. durchnässten Knochen langsam
den aufleuchtenden Farbtupfern auf lernte, dass sich ein leichter Sprühre- trocknen lässt. Letztlich war die
der anderen Seite der Fenster abge- gen in Vancouver in einen misstö- it der passenden Ausstattung Menge an Zeit, die man draußen ver-
lenkt: alle in Grün. Grün hing an den nenden Regenguss verwandeln kann M wurde ein Spaziergang durch bracht hatte, nicht entscheidend –
Bäumen und an den manikürten – mitunter von der vertikal fallenden den Queen Elizabeth Park oder ent- der Regen gab und gibt einem immer
Hecken. Es färbte große breite Flä- Sorte –, aber das schien den Einhei- lang des Jericho Beach, ja sogar eine die Erlaubnis, es sich drinnen gemüt-
chen in den Parks und entlang der mischen wenig auszumachen. Fahrradtour entlang der Stanley lich zu machen.
Straßen. Und das im Winter – wie Der durchschnittliche jährliche Park Seawall zu einem relativ trocke- Diese Lehre kam mir Monate
konnte das sein? Niederschlag in der Stadt beträgt nen, sogar ungetrübten Vergnügen. später in Tofino an der Westküste
1.153 Millimeter. Das bedeutet, dass Ich merkte bald, dass es mir Spaß von Vancouver Island zehnfach
ch öffnete das Fenster einen Spalt- den Einheimischen hier gar nichts machte, in die Höhen des Capilano zugute: Sturzregen, orkanartige
I breit und sinnierte über meine anderes übrig bleibt, als sich ernsthaft Suspension Bridge Park zu steigen, Winde und riesige Wellen sorgten für
neue Realität. Ich hatte gerade die Gedanken um geeignete Kleidung zu die Wege über 30 Meter oberhalb des mein erstes Stormwatching-Erlebnis.
Prärie verlassen, die zehn Jahre lang machen, wenn sie sich auch draußen Waldbodens zu überqueren und auf Hier konnte ich so viel oder so wenig
meine Heimat gewesen war, um mit aufhalten wollen. den schmalen, frei schwingenden von Mutter Naturs Rage genießen,
meinem Mann an die Westküste zu Ich fand heraus, dass Goretex Brücken entlang der Cliffwalks zu wie ich Lust hatte. Die Idee, sich
ziehen und mich auf ein neues Aben- unerlässlich ist und Zwiebellook zum balancieren. Meine Wanderschuhe unter eine warme Decke zu kuscheln
teuer einzulassen. Wir kannten nie- bevorzugten Kleidungsstil zählt. zu schnüren, um die Pfade am Lost und die an die Küste peitschenden,
manden in dieser uns fremden Stadt, Dabei lernte ich Outdoormarken aus Lake und Train Wreck vor dem ers- sechs Meter hohen Wellen zu beob-
und die Vorfreude war auch mit BC wie Mountain Equipment Co-op ten Schneefall in Whistler zu erkun- achten, klang verlockend. Mit raum- Früher gefürchtete Küste, heute ein Anziehungspunkt: Die Winterstürme locken
Anspannung gefärbt. (MEC) und Arc’teryx kennen, ins den, wo die moosbedeckten Wälder hohen Fenstern in ihrer Lookout Gäste in die gemütlichen Lodges.
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