Page 67 - KANADA Magazin
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BRITISH COLUMBIA
und an neigt er den Kopf und ordnet mit seinem Bären ist nicht zu spaßen. Eine allein wandernde
gewaltigen gelben Schnabel die Brustfedern. Er Frau hat die kleine Tiershow mitverfolgt. Zögernd Foto: Sonora Resort Der Wald vor der Haustür: Sonora
Resort in British Columbia.
sieht etwas derangiert aus, das Federkleid schlecht geht auch sie weiter. Sie sieht ein bisschen aus wie
gebürstet, gerade so, als hätte er eine durchzechte Reese Witherspoon.
Nacht hinter sich. Jetzt öffnet er die Schwingen, Der letzte Abend am Strand, das letzte Lager-
lässt sich vom Aufwind in die Höhe tragen, verge- feuer. Der Mühen Lohn wird immer abends aus-
wissert sich seiner Lufthoheit – und schießt dann bezahlt. Zartes Licht wie in einem Rosamunde-
wie ein Pfeil ins Meer hinab. Als er wieder auf- Pilcher-Film. Es wirkt wie eine Testosteronspritze
Für europäische steigt, zappelt in seinen Klauen ein Fisch. und lässt den Muskelkater vergessen. Die unterge-
Trekker ist es ein hende Sonne macht den Strand und seine Bewoh-
ganz großes uch am fünften Tag zeigt das Bärenkonto ner auf Zeit zu Protagonisten in einem baline-
Ding, eines der A noch immer die Zahl null an. Langsam wird sischen Schattenspiel. Magisch! Frische Spuren im
Sand. Wolfstatzen. Es riecht förmlich nach Wolf.
es mal Zeit, finden die Wanderer. Danny findet das
hier lebenden Pelz nicht. Er kann Bären, die zu Hause seine Müllton- Dann kommt wieder der Nebel und fingert wie mit
tiere vor die Linse nen plündern, nicht leiden. Aber er weiß, dass es Geisterhänden in den Wald hinein, der sich dunkel
zu bekommen. für europäische Trekker ein ganz großes Ding ist, hinter dem Strand erhebt.
die Pelztiere vor die Linse zu bekommen.
Immerhin liegen auf dem Trail frische Bären- anz früh am letzten Morgen zieht Danny los,
fladen. „Dieser steht auf Blaubeeren“, schlau- G will die Wölfe finden. Doch die haben ihn Wellness in
meiert Danny. Er ist jetzt hellwach, gibt hin und ausgetrickst. Alles, was er entdeckt, sind die Federn der Wildnis
wieder Laut, um den vermuteten Bär nicht zu einer Möwe, die sie erbeutet haben. Es sieht aus, als
überraschen. Und dann schlägt das Herz eben ob ein Daunenschlafsack geplatzt wäre. Entspannen nach einem
doch schneller, als die Bärin keine 15 Meter vor Die letzten 17 Kilometer. Noch einmal ver- Trekking entlang der Küste;
Danny wie aus dem Nichts auftaucht und sich auf schlägt einem die schiere Wucht dieses feuchten Ruhe finden vom Alltag; eine
die Hinterbeine stellt. Urwalds die Sprache. Noch einmal stolpern die Wellness-Auszeit fernab
„Sie ist nervös, hat wahrscheinlich Junge“, flü- Trekker durch dieses Vegetationswunder, vorbei der Zivilisation nehmen: Das
stert Danny und zieht sein Pfefferspray aus der Hal- an grotesk verdrehten Stämmen riesiger Hemlock- geht in einigen abgelegenen
terung. „Eigentlich müsste sie sich jetzt aus dem tannen. Ganz feierlich wird ihnen zumute, gerade
Staub machen.“ Das klingt vertraut. Nach Hunde- so, als stünden sie ergriffen im himmelhohen Schiff Lodges in der einsamen
besitzer. Nach „Der-tut-nix“ und „Oh, das hat er einer gotischen Kathedrale. An den Schlamm Natur British Columbias.
noch nie gemacht.“ zwischen den Baumriesen haben sie sich längst Von Chloe Berge
Mit schnellen Bewegungen klettert die Bären- gewöhnt. Es kommt nur darauf an, wie man ihn
mama auf eine große Zeder. Noch ein letztes Foto, wahrnimmt: „Dreierlei vom Matsch“, angerichtet Die feine Gischt eines nahen Was- meines Paddels, das in tintenblaues felscheiben, gebratenen Zobelfisch
dann ordnet Danny den Rückzug an. Mit nervösen wie das Dessert eines Sternekochs. | serfalls kitzelt meine Wangen. Wasser dringt, ist zu hören. und in Seetang-Dashi gekochte
Tauartiges, schwammiges Moos Krabben.
umgibt meine nackten Füße. Ich Über uns segelt ein Adler durch Der nächste Morgen beginnt mit
Foto: Northern Vancouver Island Tourism/Steven Fines BRITISH KANADA nis an der Küste von British Colum- Docks zurück. Die folgenden Stun- vor dem Studio scheinen sich im
Informationen
stehe im Wald, im Herzen des Great
Wolkenfetzen. Er begleitet uns zu
British Columbia
Bear Rainforest, der 6,4 Millionen
einem Yogakurs. Die Meereswellen
unserer schwimmenden Sauna. Wir
und das Rauschen des Wasserfalls
Hektar großen abgelegenen Wild-
lassen unsere Kajaks am Rande des
COLUMBIA
Rhythmus meiner Atmung zu spie-
den bestehen aus kalten, beleben-
bia. Die Region erstreckt sich über
geln. Doch die eigentliche Magie
den Sprüngen ins Meer und damp-
400 Kilometer zwischen dem Knight
fenden, entgiftenden Gängen in die
liegt darin, einfach nur hier zu sein,
Inlet und der Alaska Panhandle
Zedernsauna, durch deren Fenster
überhaupt nichts zu tun und nichts
und ist nur per Flugzeug oder Boot
erreichbar.
zu denken. Die innere Uhr schlägt
der smaragdgrüne Mount Ste-
Vancouver
Island
Ufer oder am Lagerfeuer auf dem
Hydrotherapie-Runden genieße ich
Waldbaden ist hier mehr als nur ein
die Ruhe auf einer Liege unter dem
Spaziergang durch den Wald: Die phens zu sehen ist. Zwischen den immer langsamer. Beim Picknick am
Steg mit Blick auf den Sonnenunter-
Destination BC, hellobc.de ruhige Umgebung erdet mich. Die blaugrauen Himmel. gang über der Bucht. |
Vancouver Island, vancouverisland.travel salzige Meeresluft strömt durch die
turmhohen Douglasien, Fichten und Im Restaurant der minimalistischen Informationen
Zedern und verbreitet ihre frischen, Lodge aus Zedernholz erwartet British Columbia
kräutrigen Düfte. Nach der Wande- mich an diesem Abend ein Degu-
rung bekommen wir Kajaks zuge- stationsmenü mit Delikatessen aus Clayoquot Wilderness Lodge,
teilt. Wir gleiten lautlos durch die dem Meer und der Region. Ich pro- clayoquotwildernesslodge.com
Davonschleichen oder kämpfen?
Begegnung mit dem Schwarzbär. ruhige Bucht, einzig das Geräusch biere wilde Pilze und Lauch mit Trüf- Sonora-Resort, sonoraresort.com
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